Friedhöfe haben Grabsteine und sind deshalb für Geologen ein Eldorado! Selten hat man so viele verschiedene Gesteine auf so kleiner Fläche, zudem sind sie oftmals auch noch gut aufbereitet, poliert und geschliffen. Einzig und alle die Fantasienamen der Steinmetze schaffen schon einmal Verwirrung, denn einen Sky Blue Granit oder einen Padang Dark kennt das Petrologie-Lehrbuch nicht und wenn dann der Steinmetz einen Metamorphit oder Metasomatit als Granit anpreist, bekommt der Gesteinskundler direkt ein mentales Problem.
Aber das ist ein anderes Thema, ich habe auf dem Melatenfriedhof den Grabstein des Motorenentwicklers Nikolaus Otto – des Erfinders des Verbrennungsmotos – entdeckt und seinen wunderbaren Grabstein als Wirbelau-Kalk identifizieren können, eine Varität des hessischen Lahnmarmors. Lahnmarmor ist eines der schönsten Gesteine, die in Deutschland vorkommen und es wurde bis in die 1960er Jahre in Steinbrüchen an der Lahn abgebaut, der Lahnmarmor ist vielseitig, farbenprächtig und und polierbar, die ausgesprochene Schönheit dieses Gesteins machte es zum Werkstein in der herrlichsten Gebäuden der Welt. So finden wir Lahnmarmor im Dom zu Trier, am Dreikönigenaltar im Kölner Dom ist Lahnmarmor verbaut ebenso wie in der Kirche Sankt Nikolaus in Köln-Sülz, Im Kaisersaal der Würzburger Residenz, im Dom zu Mainz, im Treppenaufgang des Schlosses Augustusburg in Brühl und auch im World Trade Center in New York. Wäre es nicht ein besonderer Stein, wäre er nicht an all diesen besonderen Plätzen als Zierde verbaut.
Können wir nun davon ausgehen, das Nikolaus Otto in seiner Freizeit Fossilien sammelte, um den stinken Abgasen seiner Motoren in der freien Natur zu entgehen? Oder waren einfach seine Nachfahren vom Wirbelau-Kalk begeistert, denn die wählten ja wohl den Grabstein aus? Das bleibt noch zu recherchieren.
Festgehalten aber muss die Tatsache, dass der Lahnmarmor kein Marmor ist. Der Steinmetz nennt gerne alles, was polierbar ist, Marmor, der Petrologe ist da schon pingeliger. Marmor ist grundsätzlich ein metamorphes Gestein, entstanden aus Kalkstein oder einem anderen karbonatreichen Gestein. Durch erhöhten Druck und erhöhte Temperatur verändert sich das Gefüge des Gesteins, diesen Vorgang nennt man Metamorphose, er spielt sich tiefer in der Erdkruste ab. Fatal ist dabei, dass das Gestein sehr einheitlich wird, jegliche Strukturen – wie auch Fossilen – gehen dabei verloren. Ein echter Marmor ist der weltberühmte Carrara-Marmor Italiens, er ist gleichmäßig und körnig. Wir sind also froh, dass der Lahnmarmor in Wirklichkeit ein Lahn-Kalk ist und deshalb seine herrlichen Strukturen und Farben behalten hat, wie auch die Fossilien des Wirbelau-Kalkes.
In Vilmar an der Lahn gibt es das Lahnmarmor-Museum, auf dessen Homepage sehr vieles über den Lahnmarmor und seine Varietäten beschrieben ist https://www.lahn-marmor-museum.de/